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Neujahrs-Prolog, gesprochen auf dem Theater in der
Königsstadt
(1828.)
Als uns're frohe Stadt in jüngstvergang'ner Nacht
Den zwölften Glockenschlag vergnügt herangewacht,
Den ersten Strahl zu seh'n am jungen Rosensaume
Des jungen, neuen Jahrs - lag ich in tiefem Traume.
Mir klang kein Gläserton, mir tobte keine Lust,
Und ernste Ahnung stieg aus meiner bangen Brust.
Was ich im Geist geseh'n? Vergönnt, daß ich es sage,
Nehmt es als Glückwunsch hin zum heut'gen Festestage.
Ich sah ein Schwesternpaar, verschieden an Gestalt,
Verschieden auch an Tracht. Die Eine reich umwallt
Vom schwergeschmückten Glanz der schönen gold'nen Bänder,
Des edlen Diadems, der herrlichsten Gewänder -
Die Andre: einfach, arm, im schlichten weißen Kleid,
Geziert durch Blümchen nur, die eben an der Zeit.
Obwohl sie Beide nun aus einem Hause schienen,
Sprach Gegenliebe nicht aus ihren Wechselmienen:
Sie sahen scheel sich an, sie wandten das Gesicht,
Und ihre Freundlichkeit war freier Wille nicht.
Ich dachte lange nach, was sie wohl trennen möchte?
Dann fand ich einen Grund: ich denk', es ist der rechte:
Verschieden war das Loos, das einer Jeden fiel,
Verschieden war ihr Zweck, ihr Streben und ihr Ziel.
Die Aeltere besaß den Platz an einem Throne,
Sie wurde mild gepflegt im Abglanz hoher Krone,
Sie hatte Ueberfluß und Hab und Gut und Geld,
Die Freiheit ihres Thuns, die Achtung aller Welt;
Die Pracht, in der sie lebt, geht glänzend auf sie über,
Und Mancher neigt sich nur aus Stolz zu ihr hinüber.
Die Jüng're, ohne Schutz, ward auf sich selbst beschränkt,
Gar oft zurückgesetzt, von Vielen hart gekränkt.
Sie steht, arm wie sie ist, im rauhen kalten Leben,
Der Herrschaft des Geschicks, dem Zufall preis gegeben;
Ihr Fleiß ist all ihr Schatz - Sie aber zagte nicht,
Sie strebte muthig fort in des Berufes Pflicht.
Zwar sind die Grenzen eng', die man um sie gezogen,
Sie aber hegt Vertrau'n: es hat sie nicht betrogen.
Wenn sie im Sturm der Zeit bekümmert manchmal war,
Am Ende überlebt' auch sie das alte Jahr,
Steht vor dem neuen nun, - soll ich sie Euch erst nennen?
Ach nein, Ihr werdet schon das arme Mädchen kennen!
Sie sendet mich zu Euch mit dem bescheid'nen Wort:
Seid auch im neuen Jahr der Waise Schirm und Hort;
Verlaßt die Arme nicht; an Euch hängt sie sich fester,
Vergeßt sie nicht bei'm Glanz der hohen reichen Schwester;
Schützt sie mit Eurer Gunst, gönnt Ihr so starken Schutz,
Dann bietet sie dem Hohn, dem Neid, dem Stolze Trutz.
Wenn Ihr auch höher ehrt der Aeltern Kunst-Palläste,
Seid nur in diesem Haus' bisweilen güt'ge Gäste;
Wenn selt'nen Prunk zu schau'n Euch dort die Neugier trieb,
Nehmt mit den Blümchen auch, die hier man beut, vorlieb.
Tragt Fehler wie bisher, stützt wie bisher das Ganze,
Dann reih'n die Blumen sich von selbst zu einem Kranze;
Zum Kranze, stets erneut, stets frisch und neu belaubt
Durch unsern regen Fleiß, der Kranz schmück' Euer Haupt;
Mag bitt'rer Tadel uns, selbst ungerecht, erschallen,
Wir fragen danach nur, ob wir Euch wohlgefallen?
Und ist Euch so um's Herz und seid Ihr noch bereit,
Uns Euren Schutz zu leih'n in Lust und Fröhlichkeit,
So kündet mir es an zum ersten Jahrestage,
Daß ich es der, die mich gesendet, tröstend sage.
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