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Zum neuen Jahr 1855
Gesprochen auf der Gräzer Bühne von
Fräulein Dardenne.
Das war der deutschen Bühne gold'ne Zeit,
Da noch Schauspieler, weit und breit,
Nicht anders hießen, als nur "Komödianten;"
Ja, da sie selbst sich gar nicht anders nannten.
Es war die Zeit jungblühenden Ersteh'ns,
Lebend'gen Strebens, rüst'gen Weitergeh'ns,
Dem Eckhof's Geist die freie Bahn erschlossen.
Von Gotter's, Lessing's, Schröder's Zeitgenossen
Hat's Keinen im Geringsten je verdrossen,
Ein Komödiant zu sein in allem Glimpf.
Weswegen gilt's denn heut' zu Tag' für Schimpf?
Wir haben Bühnenkünstler, Mimen, haben
Darsteller überall von hohen Gaben,
Die schaffend über jeder Dichtung steh'n,
Die uns mit "würd'gen Leistungen" verseh'n;
Die Koch und Iffland, jene armen Tröpfe
Huldreich belächeln, als altmod'sche Zöpfe,
Weil sie die Kunst gesucht in der Natur!
"Wie abgeschmackt! Wie flach! - natürlich nur?"
Vornehmer thun wir, ja, das liegt am Tage!
Doch ob mit Grund? ist eine and're Frage.
Ich zweifle, wenn's erlaubt wär', sehr daran. -
Der Komödiant, der halb und halb im Bann,
Sich von der Welt und ihrem Treiben trennte,
Der blieb daheim in seinem Elemente,
Der wendete sich ganz und ungestört
Dahin, wohin er auch zunächst gehört:
Zum engen Kreis' vertrauter Kunstverwandten.
Sie sind dahin, die alten Komödianten.
Sie nahmen manches mit, gesteh'n wir's frei,
Was uns nun fehlt. Doch Eines wohnt uns bei
In reichem Maß: Die Komödianterei!
Und leider nicht bloß, wie wir sämmtlich wissen,
Auf dem Theater, hinter den Coulissen;
Auch drüben, jenseits uns'rer Lampenreih'n,
Will sie tag-täglich mehr und mehr gedeih'n.
Sah'n wir sie nicht in wechselnden Gestalten
Geheim und öffentlich beflissen walten?
Sah'n, reich an Künstelei, verarmt an Kunst,
Sie haschen oder kriechen nach der Gunst?
Sah'n gierig sie nach löschpapiernen Kronen
Aufführen hohle Haupt- und Staats-Actionen,
So unerquicklich wie die Bühne nur
Vor Göthe sah', in Lüg' und Unnatur.
Wie wären oftmals uns die oft Verkannten,
Durch eitle Heuchelei grausam Verbannten,
Willkommen jetzt, die echten Komödianten!
Ja, kehrt zurück, seid froh begrüßt und bleibt,
Wofern ihr nur die Falschen von uns treibt;
Die neuen, die sich leise eingeschlichen,
Die Stümper sind, fürwahr, mit euch verglichen;
Die scheinen wollen, ohne je zu sein!
Die ewig über schlechte Zeiten schrei'n;
Die stets vergessen, daß wir, wenn's auf Erden
Soll besser werden, müßen besser werden!
Die Freiheit pred'gen, - doch für Weib und Kind,
Für Untergeb'ne Sclavenvögte sind!
Die honigsüß von Huld und Achtung sprechen,
Doch heimlich dann mit gift'ger Zunge stechen!
Die von der Tugend Palmenkranz umlaubt,
Nichts thun, als nur, was das Gesetz erlaubt,
Sich sonnend in dem Lichtstrahl eig'ner Kerzen, -
Doch nachtumhüllt im tief-selbstsücht'gen Herzen!
Nach Außen Gold, nach Innen grobes Blei!
O Komödianten! Komödianterei!
Daß doch Hannswurst, den Gottsched einst verjagte,
Mit spitzem Hut aus seinem Grabe ragte,
Mit kecker Pritsche, zu der Wahrheit Ruhm,
Modernes Pfuscher-Komödiantenthum
Recht unbarmherzig durcheinander triebe!
- Auch auf der Bühne thäten seine Hiebe
Bisweilen gut. Gewiß, ich leugn' es nicht;
Ich bin die Letzte die dagegen spricht.
Ist's nicht handgreiflich, wie der Hochmuth schadet?
Wie Anmaßung in leeren Phrasen badet?
Wie frecher Dünkel d'roben sich verirrt?
Geschmack und Urtheil d'runten sich verwirrt?
Hier weiß man nicht mehr, was wir bringen sollen?
Dort weiß man nicht mehr, was sie haben wollen?
Bengalisch Feuer hüllt in blauen Dunst
Und jeder Narr docirt von seiner Kunst.
Im Speisesaal, bei'm Bier, im Kaffehause
Macht er sich Gönner und erringt Applause;
Lobhudelt sich mit albernem Geschrei ...
Das ist die junge Komödianterei;
Indess' die guten alten Komödianten,
Zurückgezogen, keinen Menschen kannten.
Wie man sie selten in den Gassen sah,
Gleich wies man hin: "Sieh'st du? da geht er! da!"
Sie schienen eingehüllt in myst'schen Schleier,
Der sich gelüftet, wenn zur Abend-Feier
Voll ernsten Eifers, gläubig-treu gesellt.
Sie, was die Hörer glaubten, dargestellt.
Wer glaubt, wer fühlt noch heute im Theater?
Ein Knabe kaum, geschweige gar sein Vater.
Man lacht, man läuft, nascht, schwatzt wie man sich zeigt,
Zur Noth, daß man bei Opern manchmal schweigt;
Nichts mehr von Kunstgenuß, von geist'gen Festen!
"Die Damen geben sich und ihren Schmuck zum Besten,"
Die Herren gucken scharf durch Gläser d'rauf,
Höchstens der vierte Stock paßt ernstlich auf.
So schleppt sich denn das liebe Jahr zum Ende
Und jedes neue wird gebeten: wende,
Ach wende du, was schief steht, wieder um!?
Jedoch die Jahre kümmern sich nicht d'rum.
Sie haben wichtiger und mehr zu schaffen:
Sie rüsten Völker, schmieden Todeswaffen,
Krieg ist ihr Lieblingsruf, Blut ist ihr Ziel,
Sie fragen nichts nach Bühn' und Bühnenspiel.
Da gilt es, in Geduld sich still zu fassen,
Den frischen Muth, die Lust nicht sinken lassen!
Mit Emsigkeit, Ausdauer und Vertrau'n,
Dem "Fünfundfünfzigsten" in's Antlitz schau'n.
Bring's, was es darf!
Nur Eins, Herr Gott,
bescheere:
Sei mit dem Kaiser, sei mit Seinem Heere!
Die Losung: Treue! und der Feldruf: Ehre!
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