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Neujahrsgruß
(1887.)
Aus vollem Herzen guten Gruß
Zum hohen Fest der Jahreswende,
Euch allen, Freunde, einen Kuß
Und Glückeswünsche ohne Ende!
Ach könnt' ich, was ich wünsche, geben,
Fürwahr -
Ihr solltet allesamt erleben
Ein reiches, hochbeglücktes Jahr!
Und mehr: all eure Lebenstage,
Sie würden heiter, still und rein,
Ganz ungetrübt von Not und Plage,
Des wahren Menschtums würdig sein.
In allen Landen aller Zonen
Würd' in der lichtsten Herrlichkeit
Im Bunde mit der Wahrheit thronen
Die ewige Gerechtigkeit.
Am Arm des Friedens würde schreiten
Die wahre Liebe durch die Welt
Und ihre Hände segnend breiten,
Wo Mensch zum Menschen sich gesellt.
Frei, stark in Recht und groß in Tugend,
Erlöst aus finstern Geistes Bann,
Zu blühn in immer neuer Jugend,
Schlöss' Volk an Volk sich liebend an;
Vorüber wär' das grimme Streiten
Und 's Betteln um das liebe Brot
Und ausgetilgt für alle Zeiten
Der tausendfache Fluch der Not.
Des Elends Herrschaft wär' gewendet,
Die jetzt auf Millionen ruht,
Wenn jeglichem das Seine spendet
Der Arbeit heil'ge Segensflut. -
Das alles schließt mein Wünschen ein.
Wird's dermaleinst wohl Wahrheit werden?
Bricht wohl einmal die Zeit herein
Solch hehren Glückes auf der Erden?
O, zweifelt nicht, die Zeit wird kommen,
Wir haben längst ihr Unterpfand;
Schon ist ihr Morgenrot erglommen,
Hellstrahlend über allem Land.
Wir ahnen froh der Zukunft Segen,
Erfüllt von mächt'gem Schaffensdrang,
Und ringen mutig ihr entgegen
Und grüßen sie mit Hymnensang.
So kling hinaus wie Frühlingswetter,
Das neu begrünt das öde Feld,
Den kranken Herzen ein Erretter;
Der Sang der Hoffnung durch die Welt
Sei der Erzeuger neuen Lebens,
Dem keine Macht die Kraft mehr nimmt,
Wo noch ein Funke edlen Strebens
Fürs Menschenwohl im Busen glimmt!
Du, heil'ger Geist des Menschtums, leite
Uns wie seither treu, stark und wahr
Und trag uns dein Panier zum Streite
Hochflatternd vor im neuen Jahr!
Leih deinen Kämpfern neue Stärke
Und schenk all denen deine Gunst,
Die treu sich müh'n am großen Werke
In Arbeit, Wissenschaft und Kunst!
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